Samstag, 10. November 2018

Kommentar: Bulleit - Voller Geschmack bei wenig Tradition




Die Amerikaner sind stolz auf ihren Great American Whiskey. Angefangen weit zurück in der Historie ihrer Kultur beim Vorreiter des Bourbon Whiskey, dem Rye Whiskey, bis hin in die Moderne, wo neue Bourbon-Kreationen immer ausgefallener und raffinierter werden. Da könnte man beinahe schon vergessen, dass es von den Nachbarn auch noch den oft übersehenen Canadian Whisky gibt.

Wenn man sich eine Flasche Bourbon (oder Rye) kauft, so bezahlt man für die Tradition gleich mit. Der Name drückt dem Produkt seinen Stempel auf und sorgt für den letzten Feinschliff. Mit einer langen Historie schmeckt der amerikanische Whiskey noch einmal etwas besser. Oder nicht? Nun, ich mache kein Geheimnis daraus, Tradition bei Whisk(e)ys ist nicht unwichtig. Die Destillen der verschiedenen Hersteller locken jährlich eine menge Besucher an und kurbeln mitunter die Wirtschaft der jeweiligen Orte an. Besonders der Bundesstaat Kentucky, wo eine große Brennerei der nächsten folgt. Seit 1999 existiert der "Kentucky Bourbon Trail", der Touristen auf eine 100 Kilometer lange Wanderschaft schickt, bei der man 9 der bekanntesten Bourbon-Brands besuchen kann. Traditionsreiche Hersteller wie Jim Beam, Maker's Mark, Wild Turkey oder Four Roses dürfen da natürlich nicht fehlen. Doch überraschend findet man dort auch eine Mikro-Brennerei von Bulleit. Warum dies so überraschend ist, dazu gleich mehr.

Blicken wir auf die Fußballbundesliga zurück. Tradition spielt auch in diesem Geschäft eine große Rolle. Von Investoren übernommene Vereine oder neu gegründete Vereine haben einen schweren Stand. Da müsste man meinen, die Amerikaner mit ihrer langen Whiskey-Tradition, würden eine ähnliche Philosophie pflegen. Aber dem ist nicht so. Die großen Brennereien wie Jim Beam oder Four Roses befinden sich beide beispielsweise in japanischen Händen. Hinter nahezu allen großen Brennereien steckt ein großer Konzern, der die Marke aufgekauft hat. Doch verhält es sich hier anders als in anderen Branchen. Die neuen Eigentümer beeinflussen das Geschäft der traditionellen Brennereien in nur sehr seltenen Fällen. Besonders die Japaner respektieren die Tradition dieser Brennereien sehr. Bei Beam-Suntory hält man sehr große Stücke darauf. Bei Four Roses brachte der Eigentümer Kirin die ursprüngliche Tradition und Philosophie der Brennerei sogar zurück.

Doch dann gibt es da auch noch einen mittlerweile sehr bekannten Bourbon, der bis vor knapp zwei Jahren nicht einmal eine eigene Brennerei besaß. Die Rede ist hier vom Bulleit Whiskey. Definitiv ein gewichtiger, gut klingender Name. Wie spricht man den aus? Nun, das "I" in Bulleit ist stumm und so ist die korrekte Aussprache "Bullet", wie das amerikanische Wort für Kugel/Geschoss. 
Wollte man vor einigen Jahren noch die auf der Flasche angegebene Brennerei in Lawrenceburg Kentucky besuchen, wurde man entweder schräg angeschaut oder direkt an die Kirin Brewing Company weitergeleitet, dort wird der Whiskey nämlich größtenteils abgefüllt (auch bekannt als Four Roses Brennerei). Eine eigene Brennerei, die in den kommenden Jahren die größten Geschicke übernehmen soll, wurde 2017 eröffnet. Mit einem Budget von $115 Millionen hat man sich den Spaß auch einiges kosten lassen. Doch mann kann es sich erlauben, denn Bulleit expandiert mindestens genau so schnell, wie man die kurze Geschichte der Marke nachschlagen kann.

Aber wer genau steckt hinter Bulleit Whiskey? Nun, die Marke ist unverkennbar verknüpft mit einem Mann, der Ende der 80er seinen Beruf als Anwalt aufgab und anschließend seinen eigenen Whiskey produzieren wollte. Tom Bulleit, der Namensgeber. Tom Bulleit ist nach meinen spärlichen Informationen, die ich ergattern konnte, weder ein Master Distiller, noch ist er ein Master Blender. Tom Bulleit ist allen voran ein Geschäftsmann. Die Geschichte, so Bulleit, geht wie folgt: Sein jetziges Rezept für den Bourbon basiert auf einem alten Familienrezept seines Ur-Ur-Großvaters Augustus Bulleit, der die Marke 1830 etablierte. Augustus Bulleit verschwand 1860 spurlos und der Whiskey sowie sein Rezept gerieten in Vergessenheit. Die Authentizität von Tom Bulleits Geschichte konnte bis heute weder bestätigt, noch widerlegt werden. Beeindruckend ist aber allemal, wie sehr die Firma an dieser abenteuerlichen Geschichte festhält.

Bulleit kam seinem Traum näher und schloss sich mit dem kanadischen Konzern Seagram zusammen. Der damals noch junge und heutige Getränke-Megakonzern Diageo kaufte anschließend etliche Anteile von Seagram und ergatterte dadurch auch Bulleit Whsikey. Der Rest, könnte man nun sagen, ist Geschichte. Erst kurz vor Ende der Jahrtausendwende ist der Bourbon von Tom Bulleit im Handel erschienen. Kurze Zeit später ist eine Export-Variante mit weniger Alkoholvolumen (40% statt 45%) auch in Deutschland erschienen. Seit einigen Jahren wird die Originalabfüllung auch in Europa größtenteils angeboten, ausgenommen davon ist aktuell noch Dänemark sowie, etwas sehr weit entfernt von uns, Australien.

Obwohl Diageo hinter Bulleit steckt, so ist das Marketing weitaus weniger aggressiv als bei ihren anderen Brands wie Smirnoff Vodka oder Johnnie Walker Scotch Whisky. Stattdessen wird hier eher "Word of Mouth" betrieben. Der Whiskey entwickelte sich von einem Geheimtipp zu einem Topseller. Beim Angebot von Bulleit geht man es ebenfalls sehr langsam an. Bis vor einigen Jahren war der Bulleit Bourbon das einzige Produkt der Firma. 2011 kam ein gefeierter Rye Whiskey dazu (Bulleit 95 Rye), das sogenannte Green-Label. Erst seit 2013 bietet man mit dem Bulleit 10 Year ein Produkt mit Altersangabe an. Eine etwas seltenere Abfüllung ist der Bulleit Barrel Strenght, der direkt vom Fass abgefüllt wird.

Doch wie hat es der Whiskey geschafft, sich einen Name zu machen? Lag es an der steten Präsenz von Tom Bulleit oder den einzigartigen Flaschen? Vermutlich kann man hier viele Gründe nennen, aber der wohl größte Trumpf von Bulleit ist wohl der sympathische Preis. In der Preisklasse 20-23 Euro macht Diageo hier eine Kampfansage (der Rye ist minimal teurer als der Bourbon, 25 Euro). Selbst der Bulleit 10 Year ist mit seinen rund 35 Euro sehr schonend für den Geldbeutel. Für das, was Bulleit bietet, so bekommt man in der Preisklasse nur wenig bessere Bourbon oder Rye Whiskeys (dafür natürlich viele gleichwertige Vertreter in einer ähnlichen Preisklasse).

Und auch mich hat Bulleit überzeugt. So erlangte der Bulleit Frontier Bourbon Whiskey in meinem Test 61 von 75 Punkte. Der Bourbon ist eine äußerst süffige Angelegenheit. Eine genaue Altersangabe gibt es nicht, der Hersteller gibt jedoch eine Reifung zwischen 4-6 für den Exportmarkt und 5-6 Jahre für den heimischen Markt an. Bei sämtlichen Abfüllungen handelt es sich um Small Batch Abfüllungen. Da die Nachfrage von Jahr zu Jahr steigt, wird man die Produktion stetig erhöhen.
Besonders durch seinen ungewöhnlich hohen Anteil an Roggen hat der Bourbon weltweit viele Fans gewonnen, die genau diesen würzigen, kräftigen Aspekt des Whiskey enorm schätzen. Und auch ich zähle mich eindeutig zu den Fans.

Tom Bulleit ist noch nicht am Ende seines Traumes angekommen. Mit der Eröffnung einer eigenen, großen Brennerei ist er seinem Ziel aber einen Schritt näher gekommen. Geschmack hat in diesem Falle die Tradition geschlagen. Bulleit wird, je mehr Jahre vergehen, seine ganz eigene Geschichte schreiben. Besonders für viele alteingesessene Hersteller begann die Zeitrechnung nach der Prohibition wieder von neuem. Die Bewohner von Kentucky haben die neue Brennerei in Shelbyville warm empfangen. Ein ungewohntes Bild, wenn ein Neuankömmling in einer traditionsreichen Gemeinde so wohlwollend empfangen wird.

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